Der Religionsunterricht (RU) ist ein Angebot der katholischen und evangelischen Kirche unter dem Dach der Schule.
Als ein “freiwilliges” Fach im Kraftfeld der Schule kann er zunächst gar nichts anderes sein als eine Unterrichtsveranstaltung, die durch die üblichen Arbeits- und Umgangsformen und Rollenerwartungen geprägt ist.
Und genau wie jedes andere Fach dient er der Vermittlung von Kenntnissen, Wissen und Allgemeinbildung, von Werten und Normen, allerdings in seinem ureigenen Gebiete der Religionen und der Kultur- und Religionsgeschichte, des Christentums und der Kirchengeschichte.
Aufgrund seiner übergreifenden Dimension, in der immer der ganze Mensch mit seinem “ultimate concern” in den Blick kommt, gewinnt der RU bisweilen einen interreligiösen und interdisziplinären Charakter, indem er sachgemäß in die Nähe anderer Fächer rückt, z.B. von Deutsch, Kunst und Physik. So bietet der RU in einer Zeit zunehmender Spezialisierung und Funktionalisierung des Wissens ein Forum offener Begegnung und Auseinandersetzung zur Einübung einer friedlichen, pluralen Streitkultur.
Der RU ist im Schulalltag teils mehr und teils weniger als “Unterricht”. Weniger, weil er ohne eine für Schüler relevante Leistungsmessung und ohne eine (wenn nicht von Kollegen und Eltern geborgte) Disziplinarmacht auskommen muß, und mehr trotz aller “Ineffektivität”, weil der Religionslehrer fast in jeder Stunde aufs neue durch persönliche und sachliche Faszination die Aufmerksamkeit von Schülern, deren Wahrnehmungsmuster nicht selten schon durch die Strukturen von TV-Spot und TV-Sequenz konditioniert sind, bannen muß. Das ist die Schwäche und die Stärke des RU zugleich, dessen Anliegen es ist, Schülern im Horizont dessen, was sie “unbedingt angeht”, um nicht zu sagen “interessiert”, Wegweisung bei der Suche nach einem eigenem und gemeinsamen Selbstverständnis zu geben und um sie gerade in einer Zeit, wo die sozialen Bindekräfte immer schwächer werden, zu befähigen, für andere und für sich Verantwortung zu übernehmen.
Wo Freude einkehrt, ist der RU in seinem Element, jenseits eines dürren ‘Lust- und Realitätsprinzips’, jenseits von “Spaß und Zerstreuung” und jenseits einer sich selbst nicht begreifenden blinden Vernunft. Die frohen und fröhlichen Gesichter der Schüler spiegeln dann vielleicht das “Evangelium” wider, das zwar immer im Zentrum der Arbeit steht, aber nicht immer sichtbar. Denn alles hat (auch entwicklungspsychologisch) seine Zeit, und manchmal muß man “auf Christum treiben” (Martin Luther), indem das “Incognito” Christi gewahrt wird.
Die Wahrheit, woraufhin sich Schüler und Lehrer im RU in Bewegung setzen, wobei es oftmals mehr Fragen als Antworten gibt, braucht schließlich und unbedingt nicht nur das Antlitz Christi zu tragen; sie mag auch auf den Gesichtern eines Buddha, eines Mose oder Mohammed erglänzen ….
Das fordert eine Toleranz, der allerdings nicht alles gleich gilt, die weder Gleichgültigkeit, die sich oft genug im “Meinungspluralismus” verbirgt, noch die Feinde der Toleranz, die nur Toleranz einklagen, um sie endlich abzuschaffen, – erträgt.
Von dieser starken Toleranz ist auch schon lange das Verhältnis des katholischen und evangelischen RU an unserer Schule geprägt. Sichtbares Zeichen unseres “Miteinander des Verschiedenen” sind unsere gemeinsamen, jährlichen Freizeiten zu Kontemplation und Meditation in einem Zisterzienser Kloster: “Einfalt in Vielfalt”.